Die Löbauer Kommunalgarde

Ein Unternehmen zwischen Wohlwollen und Ungehorsam

Heute wie früher gilt Löbau als friedliches, beschauliches Städtchen. Zwar haben sich die Stadtväter im ausgehenden 19. Jahrhundert um eine Militärstationierung bemüht und sie später auch erhalten – die Bürgerschaft indes blieb im Geiste zivil. Auf Unterordnung und Drill hatte sie keine Lust. Besonders zeigte sich das in der Ära sächsischer Kommunalgarden.

Eine Revolution in Frankreich und Unruhen in Sachsen

Wieder einmal waren es die Franzosen, welche ihren Aufruhr nach Deutschland hinübertrugen. Im Juli 1830 jagten sie ihren König Karl X. davon, nachdem er versucht hatte, das Parlament aufzulösen und damit die Vorherrschaft des Adels zu sichern. Bedingt durch eine rezessive Wirtschaft und starre politische Strukturen, brachen auch in Sachsen Unruhen aus. Hauptsächlich in Dresden und Leipzig griffen Handwerker, Arbeiter sowie Studenten staatliche Einrichtungen an. Der Stadtrat von Leipzig bildete daraufhin am 2. September eine Kommunalgarde, die mit dem „Mandat zur Errichtung von Communalgarden“ im Nachhinein höchste gesetzliche Legitimation erhielt. Mehr noch waren nach diesem Vorbild zwecks Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung sowie zur Sicherung des öffentlichen und Privateigentums, überall im Königreich derartige Bürgerwehren zu bilden. In der sächsischen Oberlausitz betraf das die Städte Budissin, Kamenz, Zittau und Löbau. Zum obersten Chef der Garden wurde Seine Königliche Hoheit Prinz Johann Herzog von Sachsen ernannt.
Ein unlustiges Häufchen

Leipziger Kommunalgarde (Wikipedia)

Prinz Johann, später König von Sachsen (Wikipedia)

Dem Mandat folgend bestimmte die Stadt Löbau am 30. September 1830 den Apothekenbesitzer Christoph Friedrich Salzmann zum Kommandanten. Nach Aufbau der Truppe musste selbige aus ihren Reihen dann einen neuen Chef wählen. Überhaupt waren sämtliche Kommandoposten, vom Rottmeister angefangen bis zum Kompanieführer, Wahlfunktionen. Ob man bei der Garde mitmachen wollte oder nicht, dazu hatten die Herren der Schöpfung jedoch keine Option. Alle gesunden Männer vom 21. bis zum 50. (ab 1837 bis zum 45.) Lebensjahr mussten ran, und zwar unentgeltlich. Wie sich jeder heute vorstellen kann, hielt sich die Lust der Bürger folglich in Grenzen. Außerdem war Dresden fern und von Revolution in Löbau weit und breit nichts zu sehen. Murrend kamen insgesamt 234 Mann zusammen, die im Ganzen 4 Kompanien bildeten. Vom April bis Oktober traten sie einmal im Monat auf dem Markt an, um anschließend zum Üben auf die Schießwiese zu marschieren.

Schießwiese, Steindruck 1867

Schießwiese heute Stadion (löbaufoto Peter Emrich)

Das jedoch ging eher schlecht als recht vonstatten. Grund war einerseits die fehlende Motivation, andererseits der Umstand zeitweilig diktierten Gehorsams. Warum auch sollte jemand nach der Pfeife des Nachbarn tanzen, der ihm im ‚richtigen‘ Leben gleichgestellt war? Die meisten fanden das unmöglich und geigelten beim Exerzieren mehr herum, als dass sie etwas lernten. Manche spotteten sogar der Kommunalgarde, indem sie in lächerlichen Klamotten zum Dienst erschienen. Vom Kommunalgarden-Ausschuss setzte es dafür zwar Strafen, Ordnung bekam er trotzdem nicht in den Haufen. Den Vogel schoss 1834 der Kaufmann Wilhelm Moritz Trentsch ab. Im Sommer des Jahres forderte er Neuwahlen der Zugführer und Kompaniechefs. Hintenrum indes versprach er jedem Angehörigen seiner Kompanie einen Taler, wenn sie ihn zum Hauptmann wählten. Obwohl als widerspenstigster Kommunalgardist bekannt, passierte das prompt. Der Skandal war perfekt. Alles lachte und versoff das Geld anschließend beim Branntweinbrenner Lippert. Den Rest hauten die Männer im Schützenhaus auf den Kopf. Da es so nicht weitergehen konnte, setzten mehrere Gardisten, unter ihnen der Buchdrucker Johann Friedrich Hohlfeld, ein Gesuch an den Prinzen Johann ab, er möge die Kommunalgarde Löbau doch bitte auflösen. Nach langem Nachbohren gab er dem Ansinnen 1844 letztendlich statt.

Ein leidiger Nachschlag

Im März 1848 entflammte in deutschen Landen erneut eine Revolution. Zwiespältige Gefühle bestimmten das Klima in Löbau und so kam es, dass Bürgerschaft und Stadtrat einen Ausschuss für Volksbewaffnung bildeten. „Zum Besten der Stadt“, so hieß es, rief er die 4 Jahre zuvor abgeschaffte Kommunalgarde wieder ins Leben. Wie damals sollte sie weiße Armbinden und an der Kopfbedeckung, als Zeichen nationaler Einheit, die deutsche Kokarde tragen. Anders als früher unterteilte der Ausschuss die Garde in fünf Kompanien. Diese gliederten sich in eine Kompanie mit Gewehren und Bajonetten, in eine nur mit Gewehren sowie in eine Kompanie Lanzenträger. Dazu kam das blaue Schützenkorps mit seinem Kommandanten Schiller und das grüne Jägerkorps unter Hauptmann Laubner. Am Nachmittag des 13. April versammelten sich alle auf der Schießwiese und wählten den Herrn Gerichtsdirektor Advokat Fellmer zu ihrem Führer.

Am 1. Mai trat Fellmer zurück und der bisherige Vizekommandant, der Gastwirt des „Goldenen Schiffes“ Schiller, erhielt die Führung. Da er als Aufrührer der Revolution 1848/49 galt, war er aus dem Blickwinkel restaurierter Machtverhältnisse untragbar geworden und der allseits bekannte Bäckermeister und nachmalige Turmerbauer Friedrich August Bretschneider übernehm die Kommunalgarde. Als Anhänger der absolutistisch herrschenden Monarchie versuchte er, sie von revolutionären Elementen zu reinigen und wieder auf Vordermann zu bringen. Vergebens: Die Löbauer verfielen abermals in die Lethargie der 1830er Jahre. Sie sahen die Garde als unnütz und rausgeworfenes Geld an. Wie ein Aushang des Stadtrates am 12. März 1856 bekanntgab, hatten ihre Eingaben Erfolg. Die Löbauer Männerschaft konnte aufatmen – das Institut Kommunalgarde war mit dato endgültig aufgelöst.

Panorama Rathaus mit Goldenem Schiff