Gute Nacht – doch wer hält Wacht?
Nachtwächter in Löbau
Stadtführungen in Löbau: Tel.: 03585 40 04 94, 0171 49 29 795
Der Titel wirft eine berechtigte Frage auf. Heute ist sie zweifellos beantwortet, denn private Wachfirmen und die Polizei übernehmen diese Aufgabe. Es gab jedoch Zeiten, in denen weder die einen noch die anderen da waren. Die Landbevölkerung sowie die Bürger der Städte halfen sich selbst und stellten Nachtwächter an.
Nachtwächter – ein lohnender Job?
Landesweite Justiz- und Polizeiorgane entstanden erst Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Vorher oblag die Gerichtsbarkeit im Wesentlichen den Städten sowie dem örtlichen Adel. Waren Delikte aufzuklären bzw. zu ahnden, geschah dies meist vor Ort. Die Oberlausitz bildete da keine Ausnahme. Die Leute passten auf sich und ihre Nachbarn auf. Trieben Diebe oder ganze Banden ihr Unwesen, machten sie sie selbst dingfest bzw. holten sie das Militär zu Hilfe. Die Stadt Löbau zum Beispiel unterhielt zur Aufrechterhaltung der täglichen Ordnung lediglich ein bis zwei Polizeidiener. Anders in der Nacht. Hier lauerten die größeren Gefahren, sodass der Rat nicht umhinkam, einen Turm- und mehrere Nachtwächter einzusetzen. Im Jahre 1848 waren es sechs an der Zahl. Ausgerüstet mit Signalhorn und Pfeife, bezogen sie jeden Abend ihre Wachstube im Rathaus. Bei dem ausschließlich männlichen Personal handelte es sich um sorgsam ausgewählte Bürger. Von ihnen erwartete der Rat einen moralischen Lebenswandel sowie alkoholische Enthaltsamkeit. Immerhin: Es lohnte sich! Für ihre Arbeit bekamen die Nachtwächter Mitte des 19 Jahrhunderts ein monatliches Salär von 5 Talern, 20 Neugroschen und 6 Pfennigen.
Viele Aufgaben – harter Dienst
Die hohe Besoldung gab jedem Nachtwächter Anlass zur Freude, die Dienstzeiten allerdings weniger. Pro Nacht, egal ob sonn- oder feiertags musste er pünktlich um 22 Uhr seinen Dienst antreten. Zwischen dem 1. September und 1. Mai ging dieser bis 5 Uhr und in den Sommermonaten bis 4 Uhr in der Früh. Und wer denkt, ein Nachtwächter hätte die meiste Zeit herumgesessen, irrt gewaltig! Jede Stunde waren lange Strecken zu absolvieren: Eine verlief über den Nordteil Löbaus und weiter hinaus in die Görlitzer Vorstadt. Die Zweite umfasste den Westteil mit dem Scheunenviertel und eine Dritte führte in den Südteil sowie die angrenzende Zittauer Vorstadt. Die vierte Tour ging nach Osten bis in den Ortsteil Tiefendorf. Oft verging bei jedem Streifzug eine Stunde wie im Fluge. Kaum angekommen, durfte der betreffende Nachtwächter von neuem los.
Während seiner Tour oblagen dem Nachtwächter verschiedene Aufgaben. Die Wichtigste bestand darin, den Brandschutz durchzusetzen. Offenes Licht nebst Tabakrauchen war außerhalb der Wohnungen verboten. Und sollte ein Feuer ausbrechen, hatte er mit dem Horn Signal zu geben. Außerdem musste der Nachtwächter für Ruhe und Ordnung auf den Straßen und in Häusern sorgen. Betrunkene Nachtschwärmer und ´Tumultanten´ waren zurechtzuweisen bzw. nach eigenem Ermessen festzusetzen. Dasselbe Schicksal ereilte Personen, die sich unberechtigt im Stadtgebiet aufhielten. Selbst freilaufende Hunde blieben nicht verschont. Die Nachtwächter fingen die Tiere und gaben sie den Besitzern am darauffolgenden Tag gegen eine Gebühr von 5 Neugroschen zurück. Mit einer Geldstrafe hatten auch diejenigen zu rechnen, deren Haustüren offen standen. Genauso jene, die meinten im Schutze der Dunkelheit Unrat aus den Fenstern kippen zu können.
Handeln ohne Rücksicht auf die Person
Alles, was die Nachtwächter während der Streifengänge gesehen und gehört hatten, trugen sie in das Rapportbuch ein. Dem interessierten Leser vermitteln diese erhalten gebliebenen Dokumente ein anschauliches Bild früherer Lebens- und Verhaltensweisen. Da ist 1810 zum Beispiel vom Branntweinbrenner Müller in der Eichelgasse die Rede. Dessen Gäste bekamen sich nächtens mit dem Wirt, der Wirtin und Tochter derart in die Haare, dass sie Argumente nur noch schlagkräftig austauschten. Auch einen gewissen Schneidergesellen Penther hat es 1838 unrühmlich in die Bücher verschlagen. Betrunken brüllte er nach 23 Uhr in der Bautzener Gasse herum. Obendrein war er uneinsichtig und beleidigte die Wache mit unflätigen Worten. Vier Tage Gefängnis, so ist im Rapport zu erfahren, hat ihm sein Verhalten eingebracht. Dass er im Nachhinein nicht gut auf die Nachtwächter zu sprechen war, kann man sich denken. Aber nicht allein in Fällen von Trunkenheit war es für die Hüter der Nacht eine Gratwanderung, Leute beim Rat anzuschwärzen. Waren sie doch am Tag Bürger unter Bürgern, die gut mit ihren Nachbarn auskommen mussten und mitnichten ausgegrenzt werden wollten. Lösen konnten sie diesen Konflikt kaum. Sie hatten „ohne Rücksicht auf die Person“ zu handeln, so stand es in ihrer Dienstanweisung. Wer sich nicht daran hielt, für den hieß es: Taler wohin rollst du – ade du ‚schönes‘ Leben als Nachtwächter … !