Irgendwie macht es nachdenklich, geht man an diesem markanten Haus zwischen Kreisverkehr und August Bebel Straße vorüber. Betrieb herrscht hier keiner mehr. Lediglich am Straßennamen erahnen viele, dass es früher das Postamt war. Einstmals sogar das „Kaiserliche“ – für die Löbauer eine Verbindung in die ganze Welt und heute vergessene Geschichte.
Will jemand über die Löbauer Postgeschichte erzählen, steht er vor der Frage, wo anfangen? Bereits Ende des 15. Jahrhunderts gab es hier eine Poststation. Sie erfreute sich regen Zuspruchs, zuerst unter Regie derer von Thurn und Taxis, später unter der des Königreiches Sachsen. Aber machen wir einfach einen Schnitt und beginnen mit unserem Bericht Anfang der 1830er Jahre. In dieser Zeit hatte der Postmeister Friedrich Wilhelm Bschorer seinen Dienst in Löbau aufgenommen. Eine Funktion, die er ganze 37 Jahre ausüben und so ein gewichtigen Teil Löbauer Postgeschichte mitbestimmen sollte. Zunächst arbeitete unter ihm ein Posthalter, dessen Station in der Zittauer Gasse (Innere Zittauer Straße) lag. Noch heute ist sein Pferdestall hinten am Katzenturmensemble zu sehen. Gegenwärtig befindet sich hier eine Gaststätte, die bis vor wenigen Jahren sogar namentlich auf die „Alte Posthalterei“ hinwies. Von hier aus gingen Pakete und Briefe in die ganze Welt sowie Postwagenlinien in Richtung Dresden, Breslau, Zittau, Rumburg und weiter bis Prag.
Der Postfußbote
Postfußboten waren seinerzeit taffe Leute. Täglich – egal ob Sommer oder Winter – liefen sie mit einem schweren Brieftornister über Land. Je nach Strecke konnten dabei pro Mann gut 20 bis 40 Kilometer zusammenkommen. Eine Tatsache, angesichts dieser heute manchem das kalte Grausen den Rücken hinunterlaufen würde. Damals machte sich darüber keiner Gedanken, denn Briefe mussten ja irgendwie von Ort zu Ort gelangen, und das in angemessen schnellem Tempo. Mit dem heutigen Briefträger ist der Postfußbote jedoch nicht zu vergleichen. Er brachte die Briefe nicht direkt zum Adressaten, sondern besorgte das, was später in der Regel die Bahn erledigte: Er trug die Schriftstücke von Ort zu Ort. Anfang des 19. Jahrhunderts, als in der Oberlausitz von Eisenbahnen noch nicht die Rede war, machte sich zum Beispiel täglich ein Bote von Löbau in Richtung Bautzen auf den Weg. In Hochkirch traf er sich mit dem ihm entgegenkommenden Kollegen. Sie tauschten einfach ihre Tornister aus und jeder lief seinen Weg zurück. Dasselbe geschah tausendfach auf anderen deutschen Straßen und gewährleistete so einen regelmäßigen Briefpostverkehr.
Bald jedoch hielt die Industrie in Löbau Einzug. 1846 kam die Eisenbahn dazu und der Stadtrat wollte die Poststation vergrößern. Zudem sollte sie näher an den Bahnhof rücken. Doch dieser Traum platzte zunächst. Einige Jahre nachdem Karl Ernst Döring unter Leitung Bschorers die Posthalterei übernahm, verlegte er sie zwar in größere Räumlichkeiten, aber keineswegs dichter an die Bahn. Seit 1859 befand sich seine Expedition auf dem Neumarkt, im heutigen Haus Nr. 9. Als wenig später der Wirt des daneben liegenden Gasthauses „Zum Stern“ Posthalter wurde, bildeten beide Anwesen sozusagen eine ‚postalische Einheit‘. Geöffnet hatte sie täglich (auch an Sonn- und Feiertagen) von 7 bis 12 und von 14 bis 19 Uhr. Das blieb so bis 1878. Dann endlich war es soweit! Das mit der Löbauer Telegrafenstation zusammengelegte Postamt mietete hellere und größere Räume im Ostteil des „Wettiner Hofes“ (heute Parkplatz Diska) an. Direkt am Bahnhof konnte es, ausgestattet mit modernen Schaltern und Schreibvorrichtungen, besser seinen Aufgaben nachkommen. Vor allem waren die Postbediensteten jetzt in der Lage, Briefe und Pakete schneller in die Eisenbahn-Postwaggons zu laden.
Den Mietvertrag mit Zeitschel, dem Gastwirt des Wettiner Hofes, hatte die kaiserliche Postverwaltung allerdings nur auf 8 Jahre abgeschlossen. Eine Verlängerung hatte sie nicht vorgesehen. Der Post- sowie Telegraphenverkehr nahm rasch zu und die Räume genügten den Anforderungen schon lange nicht mehr. Also stellte die Oberpostdirektion an den Rat der Stadt Löbau den Antrag, sie möge bitte nach Zeichnungen des Reiches ein Haus bauen, in das sich die Post einmieten würde. Am 1. Mai anno 1885 war dieses Ansinnen einziger Tagesordnungspunkt der Ratssitzung. Die Herren diskutierten eine geraume Zeit, bis sie letzten Endes beschlossen, das zukünftige Postamt für 85 bis 90.000 Mark nördlich des Stadtkerns, auf dem Viehmarkt zu errichten. Dazu war ein Darlehen bei der städtischen Sparkasse aufzunehmen und dem Mieter 6 Prozent Mietzins von der Bausumme sowie 4 Prozent vom Wert des Grund und Bodens zu berechnen. Am 23. August 1886 schloss Löbau mit der Post einen entsprechenden Kontrakt. Den Generalauftrag zur Errichtung des Gebäudes erhielt Baumeister Moritz John. Bereits 13 Tage später ließ die Stadt Bäume am Viehmarkt fällen – die Bauvorbereitungen begannen.
Im Januar 1888 mahnte die kaiserliche Oberpostdirektion an, den Postbau bis zum 1. Juli bezugsfertig zu übergeben. Zwar hatte sie den Mietvertrag mit Zeitschel noch einmal verlängert, aber spätestens bis zu diesem Tag musste sie den Wettiner Hof endgültig räumen. Die Bauarbeiter Johns legten eine Schippe drauf, klotzten ordentlich ran und schafften es tatsächlich! Alle waren glücklich! Auch Bürgermeister Damm, als ein Schreiben der Oberpostdirektion ihn, die Ratsmitglieder sowie Stadtverordneten für den 7. Juli, um 9 Uhr in die Schalterhalle des neuen Postamtes einlud. An diesem Sonnabend war es soweit. Die Vertreter der Stadt konnten aufatmen und stolz verkünden:
„Hurra – die Post ist da!“
Allerdings sollte es nach dem Willen der kaiserlichen Verwaltung keine große Eröffnungsfeier werden. Zwanglos, ohne Formalitäten, besichtigte man die neuen Räume. Bürgermeister Damm ließ es sich trotzdem nicht nehmen und hielt eine Dankesrede. Anschließend lud er die Anwesenden in seine Privatwohnung ein, um bei einem ‚Frühstück‘ auf das künftige Postamt anzustoßen. Und da selbst ein Postbote nicht auf einem Bein stehen konnte, rückte die ganze Gesellschaft am Nachmittag noch zum Forsthaus Strahwalde, wo es bis in die Abendstunden feucht-fröhlich weiterging.
Was so kräftig befeiert wurde, dem blieb nichts anderes übrig, als lange zu halten. Und so war es auch. Bei den Löbauern erfreute sich das Postamt höchster Beliebtheit. 1922 ließ es die Stadt auf Verfügung des Reichspostministeriums am linken und rechten Flügel noch einmal erweitern. Danach tat es weitere 75 Jahre seinen Dienst, bis es am 11.11.1997 endgültig den öffentlichen Schalterbetrieb einstellte. Wer Postdiensleistungen braucht, sucht hier leider vergeblich. Er muss sich in die nahegelegene Sachsenstraße begeben. Und in der Tat – irgendwie macht das nachdenklich …
Bedanken möchten ich mich besonders bei Wolfgang Gebel (†), der sich intensiv mit der Postgeschichte Löbaus beschäftigt hat. Seine Forschungsergebnisse sind in den 1990er Jahren in mehreren Heften der Löbauer Museumsgesellschaft e. V. erschienen. Die Geschichte des Löbauer Postamtes ist ein kleiner Ausschnitt davon.